Vincent fiel, es waren nur Sekunden, aber für ihn schien es, als wäre die Zeit stehen geblieben. Er konnte nichts mehr erkennen und er fühlte sich seltsam, so, als würde er einfach in der Luft hängen, einfach so von unsichtbaren Händen festgehalten. Jedoch spürte er keine Einschränkungen. Es war nur so, dass er eigentlich schon längst hätte hart gegen irgendeine Unterlage aufprallen müssen, doch dem war nicht so. Auch nach weiteren 5 Sekunden war er noch am Fallen.
Dann, wie ein Geist, erkannte Vincent, dass aus dem Himmel weit entfernt etwas zu ihm schwebte. Es war.. eine Frau.. die von hinten her erleuchtet wurde. Aus ihrem Rücken ragten anmutige weiße Schwingen. Ihr ganzer Körper und auch ihr Gesicht war von einem weißen Tuch bedeckt und ließ nur an der Kinngegend freie Stellen offen. Das Tuch hatte goldene Verzierungen an den Rändern, ansonsten leuchtete es nur im Schein und es blendete Vincent fast bei seinem Anblick.
Die Mundwinkel, die man nur schwer erkennen konnte, weil sie von hinten beleuchtet wurde, begannen sich zu einem leichten Grinsen zu verformen. Die immer noch anmutige Gestalt stand jetzt vor Vincent und beugte sich dann nach einer kleinen Weile, in der Sie ihn zu mustern schien, zu ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Vincent konnte die Worte erst nicht verstehen. Es klang noch zu sehr nach einem Flüstern von zahlreichen Stimmen. Doch irgendwann durchbrach eine dieser vielen Stimmen die Mehrheit und ließ die anderen verstummen. Die Sätze, die nun gesprochen wurden, waren wohl die bedeutsamsten, die Vincent über die letzten Jahre hinweg gehört hatte.
Die Gestalt grinste nun breiter und schien ihre Aufgabe erfüllt zu haben. Danach machte sie noch eine abschließende Geste der Verabschiedung und ließ ihr Licht noch heller erstrahlen, als man es in dieser schwarzen Nacht für möglich gehalten hätte.
Vincent wehrte sich dagegen doch plötzlich riss es ihm aus seinem Traum. Verwirrt schaute er sich blitzartig um, immer wieder betrachtete er die gleichen Stellen wie zuvor, um bloß das Umfeld im Auge zu behalten. Sein Kopf schmerzte und ihm wurde allmählich leicht schwindlig.
Gott, verdammt! Was ist hier bloß los?!
Völlig fertig versuchte er sofort aufzustehen. Er musste weg hier, weit weg! Diese Welt machte ihn krank! Es würde nur Schlechtes bedeuten, sich noch länger hier aufzuhalten.
Das Flugzeug! Dort muss es noch andere Menschen geben, die mir sicher helfen können, hier weg zu kommen!
Sofort nahm Vincent seinen Rucksack und erst jetzt realisierte er, dass Veemon etwas weiter weg neben ihm lag. Seltsamerweise hatte dieser keine stark blutende Wunde mehr, sondern eine fast gänzlich vernarbte Haut bekommen. "Was hat diese Schlampe gemacht?!", fragte sich der Söldner, dem so langsam wieder einige der Worte in den Sinn kamen, welche die Frau in seinem Traum zu ihm gesagt hatte: "Digiritter.. Bestimmung.. Schicksal..annehmen.. Leben..retten..", das Ganze fügte sich nach und nach wieder zusammen und erneut bewegten ihn diese Wörter sehr und ließen einen kalten Schauer über seinen gesamten Körper jagen.
"Wenn Du lügst werde ich dich finden und töten.", flüsterte Vincent nur monoton vor sich hin und steckte Veemon abermals in seinen Rucksack, da dieser wohl immer noch Ruhe brauchte, um sich von dem Schlag zu erholen.
Aber zuerst übe ich Rache an dieser Dummen Katze und dem anderen Vieh!
Zum Glück war Vincent nicht bis nach ganz unten des Berges angekommen, sondern schien sich noch fast in der Mitte zu befinden. Somit machte er sich, mit dem Licht der Morgensonne im rücken auf den Weg, es den beiden Digimon heimzuzahlen.
|